Driften

von   Dr. Peter Lodermeyer

I.
Es ist etwas Rückhaltloses in den jüngsten Arbeiten von Bernhard Zimmer. Selbstverständlich - wie könnte es anders sein? - liegt einer der Gründe dafür in der Gleichzeitigkeit ihrer vollkommen unterschiedlichen Komponenten oder besser: Bereiche, die sich gegenseitig keinen Halt versprechen. Diese Bereiche heißen Malerei und Schrift oder, je nach Blickwinkel: Farbe und Wort, Anschaulichkeit und Sprachlichkeit, oder, wenn man ganz hoch greift, was fast immer zu riskant ist: Sinnlichkeit und Verstand. Wobei Zimmers Bild-Wörter an beidem teilhaben: Sie sind beileibe nicht auf ihre Bedeutung zu reduzieren, denn sie stellen sich zunächst als materielle Einheiten dar, als zarte Reliefs aus Farbe, die sich an den Tastsinn der Fingerspitzen wenden; sodann als repetitive Muster eines textuellen, quasi-textilen Gewebes, das sich über die gesamte Bildfläche legt: „Wortlaken“, wie in einem der Gemälde treffend zu lesen ist. Man braucht oft sehr lange, um von der Materialität des Signifikanten, sprich: dem Gemacht- und Gemalt-Sein der (manchmal verdrehten, seitenverkehrten, farbbedeckten) Buchstaben bis zur Bedeutung der Wörter vorzudringen. Wie sehr diese Bedeutung von der Materialität der Schrift getönt wird, zeigt beispielhaft Who‘s the Best?“ mit seinen beiden vollkommen verschiedenen Schriftarten. Dieses heimliche Mantra unserer postindustriellen Leistungs- und Konkurrenzgesellschaften ist zum einen beinahe unsichtbar als Allover über die Malfläche gebreitet und dann blutrot in (t)rotziger Graffitti-Manier in die Ecke gesetzt wie eine Protestparole.

WEITER